In meinem Lesejahr 2024 gab es wieder eine Menge großartiger Bücher, die ich kaum aus der Hand legen konnte, und die Entdeckung einiger AutorInnen, deren Bücher mich sicher weiterhin begleiten werden.
Einige davon stelle ich hier kurz vor, und zwar höchst subjektiv und ohne mich um die Anforderungen an eine professionelle Rezension zu scheren. Es handelt sich vielmehr um die leicht überarbeiteten Notate, die ich während und nach dem Lesen angefertigt habe.
Ich empfehle natürlich immer, Bücher beim lokalen Buchhandel zu kaufen. Wenn das - aus welchen Gründen auch immer - nicht möglich ist, rate ich zu einer Bestellung beim engagierten Online-Buchversand, beispielsweise bei buch7 (spendet 75% des Gewinns an soziale und uneigennützige Projekte), eichendorff21 (der Buchversand des Perlentaucher) oder fairBuch (unterstützt die Kindernothilfe).
Birgit Birnbacher: Wovon wir leben
Die österreichische Autorin und Bachmann-Preisträgerin Birgit Birnbacher ist eine meiner großen Entdeckungen 2024.
Wovon wir leben handelt von einer jungen Frau, die in der österreichischen Provinz aufwächst. Sie ist die Ich-Erzählerin des Romans. Um der Piefigkeit zu entfliehen, macht sie eine Ausbildung zur Krankenschwester und zieht in die Stadt (kann keine besonders große Stadt sein). Sie verwechselt die Medikationen von zwei Patientinnen, eine der Patientinnen erleidet einen anaphylaktischen Schock, überlebt jedoch ohne bleibende Schäden. Trotzdem wird die Ich-Erzählerin gefeuert, wird damit auch ihre Wohnung los und muss, da der Stress ihr Asthma ungeheuer puscht, vorläufig zurück ins Elternhaus.
Als sie im Dorf eintrifft, muss sie höchst überrascht feststellen, dass ihre Mutter nicht mehr da ist. Sie hat ihren Mann verlassen. Für die Ich-Erzählerin beginnt nun eine Auseinandersetzung mit dem Leben in der Provinz und dem Leben ihrer Mutter.
Recht schmales Bändchen, liest sich gut, aber weil ich abends im Moment so müde bin, dass es für höchstens 10 Seiten reicht, komme ich nicht recht voran.
Das hat sich bald geändert. Ich bin immer mehr in dieses Buch hineingekommen und konnte es kaum aus der Hand legen. Es endet unerwartet – und ein bisschen bitterböse. Unbedingt mehr lesen von Birgit Birnbacher!
Zsolnay Verlag, Wien 2023
ISBN 9783552073357
192 Seiten
Tomás González: Das spröde Licht
Schwieriges Thema, großartiges Buch. Eine Entdeckung!
Eine Familie mit drei erwachsenen Söhnen. Der älteste Sohn ist seit einem Unfall vom 10. Brustwirbel an abwärts gelähmt und gehört zu den doppelt Geschlagenen, weil er trotz der Lähmung unerträgliche Schmerzen hat. Er hält es einige Jahre durch, dann entscheidet er sich für assistierten Suizid.
Die Geschichte wird vom Vater erzählt, als der ein alter Mann und die Mutter schon seit Jahren tot ist. Der Vater setzt mit seiner Erzählung ein, als der jüngere Sohn seinen Bruder mit dem Auto hunderte von Kilometern durch die USA zu einem Arzt fährt, der bereit ist, einen assistierten Suizid durchzuführen. Die Reise ist sehr anstrengend, und als sie endlich am Ziel ankommen, verschiebt sich die Ankunft des Arztes mehrere Male.
Die beiden Brüder unterwegs und der Rest der Familie zu Hause stehen in einem sehr engen Kontakt miteinander. Für alle ist es ein ständiges Schweben, ein Hin- und Hergerissen-Sein zwischen der Hoffnung, dass der Arzt nicht kommt oder der Sohn es sich anders überlegt, und dem Wunsch, das Leiden möge ein Ende haben.
González schreibt diese Geschichte in einer sehr klaren, nüchternen Sprache, aber nie kalt und emotionslos. Ich werde unbedingt mehr von Tomás González lesen.
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2012
ISBN 9783100266057
176 Seiten
Robert Seethaler: Ein ganzes Leben
Dieser schmale Roman war mir schon mehrfach empfohlen worden. Nun habe ich ihn endlich gelesen. Ein absoluter Knaller! Drei oder vier Abende zu lang gelesen, dann war ich durch die 154 Seiten durch.
Die Lebensgeschichte des Seilbahnarbeiters Andreas Egger, die in einem abgelegenen österreichischen Alpental beginnt, als Autos noch Wunderdinge waren. Eine schnörkellose, ungeschönte, ergreifende Geschichte, die nicht umsonst auf der Shortlist des International Booker Prize stand.
Mehr von Seethaler lesen! (Der Trafikant stammt auch aus seiner Feder.)
Hanser Berlin, Berlin 2014
ISBN 9783446246454
160 Seiten
Sasha Marianna Salzmann: Im Mensch muss alles herrlich sein
(2021 zum deutschen Buchpreis nominiert).
Ein Roman über vier verwandte ukrainische Frauen aus drei Generationen, der bis in sowjetische Zeiten zurückreicht und sich bis in die deutsche Gegenwart fortsetzt.
„Zwei Mütter, zwei Töchter, zersplitterte, miteinander verhakte Biografien. Vier Frauen ringen mit ihrer Geschichte auf der Suche nach Gemeinsamkeit, Liebe und Identität. Im Menschen muss alles herrlich sein ist ein poetischer und brutaler Roman.“ (aus der Besprechung des DLF, ganze Rezension hier: https://www.deutschlandfunk.de/sasha-marianna-salzmann-im-menschen-muss-alles-herrlich-100.html)
Anfangs kam ich im Buch nur recht langsam voran, doch es hat sich schnell zu einem hervorragenden Buch entwickelt, das mich in seine Atmosphäre eingesogen hat. Es hat mich nicht gestört, dass ich manchmal unsicher war, aus welcher der verschiedenen Erzählperspektiven gerade erzählt wird.
Suhrkamp Verlag, Berlin 2021
ISBN 9783518430101
384 Seiten
Dörte Hansen: Zur See
Endlich stand mal ein ausleihbares Exemplar des jüngsten Romans von Dörte Hansen im Regal der Stadtbibliothek! Und dann war ich zunächst enttäuscht, weil ich dachte, es sein bloß ein Abklatsch des vorhergehenden Romans. Doch weit gefehlt! Das Buch ist so großartig wie seine beiden Vorgänger (Altes Land und Mittagsstunde).
Dieses Mal spielt die Geschichte auf einer kleinen Nordseeinsel. Dörte Hansen erzählt die Geschichte einer alteingesessenen Familie, die fest auf der Insel verwurzelt ist – und irgendwie auch entwurzelt. Der Vater lebt – nachdem er die Seefahrt drangegeben hat – als Vogelwart auf einer winzigen vorgelagerten Insel und taucht so gut wie nie im Familienhaus auf. Erst als er seine Arbeit nicht mehr packt (oder in Rente geschickt wird, ich weiß es nicht mehr), kehrt er zurück. Kommentarlos. Und genauso kommentarlos akzeptiert seine Frau das.
Die Tochter ist zu ihrer Liebe aufs Festland gezogen, kommt aber regelmäßig zu Besuch, weil sie von der Insel nicht lassen kann.
Der ältere Sohn ist ein heftiger Trinker, der wieder ins Elternhaus zurückgekehrt ist (auch er ist einige Jahre zur See gefahren). Nach einem Alkoholexzess verlässt er das Elternhaus endgültig. Er hat gerade Arbeit und kann da auch provisorisch wohnen. Zur Überraschung aller berappelt er sich langsam (den Auslöser dafür verrate ich hier nicht).
Der jüngste Sohn läuft schon seit Kindestagen nur barfuß, sommers wie winters. Schule war nichts für ihn. Er findet seinen Weg als Künstler, der Strandgut einsammelt und verarbeitet. Er ist Rettungsschwimmer und schwimmt jeden Tag seine Runde im Meer, auch sommers wie winters. Und auch hier muss ich eine Lücke lassen, um die Spannung nicht zu verderben.
Dörte Hansens klare und zugleich geschmeidige Sprache erzeugt bei mir am laufenden Band ganz unmittelbare Bilder, und ich kann mich noch lange nach der Lektüre an erstaunlich viele Details erinnern.
Zur See ist eins dieser Bücher, bei denen das Lesen sich anfühlt, wie etwas unglaublich Leckeres zu trinken. Oder wie in einem großartigen Film zu versinken. Ich warte voller Ungeduld auf Dörte Hansens nächstes Buch.
Penguin Verlag, München 2022
ISBN 9783328602224
256 Seiten
Bov Bjerg: Serpentinen
Dieses Buch hat vor ein paar Jahren nicht umsonst so viel Aufsehen erregt und reihenweise hymnische Besprechungen bekommen.
Der Ich-Erzähler besucht mit seinem etwa 7-jährigen Sohn die Gegend, in der der Erzähler aufgewachsen ist. Seit Generationen bringen sich die Väter in dieser Familie um. Um diese Tradition durchbrechen zu könne, will der Ich-Erzähler mehr über die Geschichte seiner Familie. herausfinden.
Bjerg wagt ungewöhnliche Schreibweisen, Wiederholungen, Abschweifungen, die sich nach und nach zusammenfügen. Wenn ich abends schon sehr müde war, musste ich oft fast wieder an der gleichen Stelle wie am Vorabend anfangen. Es war nicht so ganz leicht, den roten Faden in der Hand zu behalten. Hat mich jedoch nie gestört. Tatsächlich passt dieses halb fragmentarische Erzählen ganz hervorragend zum Inhalt der Geschichte. Das Buch hat mich sehr schnell gepackt und bis zum letzten Satz nicht mehr losgelassen.
Claassen Verlag, Berlin 2020
ISBN 9783546100038
272 Seiten
Sabrina Janesch: Sibir
Gutes Buch, wenn auch zum Ende hin mit Längen und sprachlich abfallend.
Interessantes Thema: Die „Rückkehr“ von Russlanddeutschen nach Deutschland. Dabei handelt es sich zum einen um die Wolgadeutschen, die sich im 18. Jahrhundert auf Einladung Katharinas der Großen an der Wolge niedergelassen. Nach Hitlers Angriff auf die Sowjetunion ließ Stalin sie in Arbeitslager deportieren. Die zweite Gruppe in Janeschs Roman sind die Deutschen, die bis 1945 auf dem Gebiet des heutigen Polen gelebt haben.
Beide Gruppen wurden nach Sibirien bzw. Kasachstan umgesiedelt, wo sie unter äußerst schwierigen Bedingungen überleben mussten. Die von Polen nach Kasachstan zwangsumgesiedelten Deutschen wurden in den 1950er-Jahren von Adenauer freigehandelt, die ehemaligen Wolgadeutschen kamen erst nach dem Fall der Mauer in den 1990er-Jahren.
Die Ich-Erzählerin erzählt die Kindheitsgeschichte ihres Vaters, der in den 1950er-Jahren nach Deutschland kam, und ihre eigene Geschichte als Aussiedlerkind. Die sogenannten Aussiedler lebten in den für sie errichteten Siedlungen stets etwas abgesondert von der übrigen Bevölkerung. In den 1990er-Jahren kamen die Spätaussiedler dazu, als die ersten Aussiedler schon fest etabliert waren.
Der Teil, der während der Kindheit des Vaters in Kasachstan spielt, hat mich am meisten gefesselt und mir am besten gefallen. Dieser Teil des Buches hat mir eine ganz fremde Welt erschlossen und mich daran erinnert, warum ich auch Ethnologin bin.
Gegen Ende des Buches habe ich etliche Seiten überschlagen. Es stellte sich heraus, dass ich die zum Verständnis des Schlusses auch nicht brauchte (als Lektorin hätte ich unbedingt dazu geraten, diese Seiten zu streichen).
Rowohlt Berlin Verlag, Berlin 2023
ISBN 9783737101493
352 Seiten
Emmanuel Carrère: Yoga
Kein Roman. Auch kein Sachbuch. Eher Carrères Auseinandersetzung mit dem Yoga und der Vipassana-Meditation nach jahrzehntelanger Praxis. Den Rahmen bildet ein 10-tägiges Vipassana-Retreat, von dem aus Carrère immer wieder abschweift.
Liest sich nicht sehr schnell. Ich werde eine Weile brauchen, um die mehr als 300 Seiten zu lesen. Ich gehe davon aus, dass ich das Buch vollständig lesen werde. Es ist toll!
4 Tage später: Inzwischen liest sich Yoga viel schneller. Carrère schreibt fesselnd und sehr offen. Irgendwann ist bei ihm eine bipolare Störung durchgebrochen. Auch darüber schreibt er sehr offen und schonungslos sich selbst gegenüber.
Mit der Zeit hat das Buch einen starken Sog entwickelt, ich konnte es kaum noch aus der Hand legen. Ein sehr kluges Buch, das mir so gut gefallen hat, dass ich es mir gebraucht besorgt habe, um es selber zu haben (was natürlich ein ziemlicher Quatsch ist angesichts der Bücherstapel, die keine Chance mehr auf einen Platz in irgendeinem Regal haben).
Matthes und Seitz, Berlin 2022
ISBN 9783751800587
328 Seiten
Caroline Wahl: 22 Bahnen
Vier Abende zu lange gelesen, dann war ich durch. Dabei weiß ich nicht einmal, ob ich es wirklich mochte. Anfangs hat die Sprache mich ziemlich genervt. Ausgeprägter Jugendslang (Das ist voll mega usw.) Hat sich später gegeben, mich sprachlich trotzdem nicht überzeugt.
Und die Geschichte? Eine Ich-Erzählerin (Tilda) Anfang 20, die in einer Kleinstadt lebt, in der nächsten größeren Stadt Mathematik studiert und ein Stipendium in Berlin angeboten bekommt.
Sie hat eine viele Jahre jüngere Schwester (Ida), etwa 11 Jahre alt, für die Tilda sich sehr verantwortlich fühlt. Die Mutter ist Alkoholikerin, die Väter haben sich abgesetzt bzw. sind unbekannt.
Tilda jobbt an der Supermarktkasse, um ihr Studium zu finanzieren, und zögert, das Stipendium in Berlin anzunehmen, weil sie große Sorge hat, Ida mit der Mutter allein zu lassen. Tilda schwimmt. Oft. Und immer 22 Bahnen.
Eine zarte Liebesgeschichte mit einer tragischen Vorgeschichte kommt auch noch dazu.
Ob ich das nächste, gerade erschienene Buch von Caroline Wahl lesen möchte, weiß ich nicht. Bei 22 Bahnen war es vor allem die Kombination Mutter - Schwester - Schwimmen, die das Buch für mich interessant gemacht hat. So habe ich einiges akzeptiert, was ich der Autorin nicht ganz abgenommen habe oder über die ich immer wieder gestolpert bin.
Ein Beispiel: die 22 Bahnen. 22 Bahnen können sehr unterschiedlich lang sein. In einem 25-m-Becken sind es 550 m, wenn man jede Strecke von Beckenrand zu Beckenrand als eine Bahn zählt. Zählt man dagegen einmal hin und zurück als eine Bahn, schwimmt man auf 1.100 m. In einem 50-m-Becken kommt eine doppelt so lange Strecke heraus, je nach Zählung 1.000 m oder 2.200 m.
Diese Ungenauigkeit ist keineswegs nebensächlich bei einer so zentralen Angelegenheit. Es macht dramaturgisch nämlich einen Unterschied, ob die beiden zaghaft Verliebten 15 Minuten oder eine Stunde nebeneinander herschwimmen. Die Autorin ist ganz sicher keine Schwimmerin - und das Lektorat hat vorbildlich gepennt.
DuMont Buchverlag, Köln 2023.
ISBN-13: 9783832168032
204 Seiten
Lily King: Writers & Lovers
Eigentlich mache ich einen großen Bogen um Romane, die von SchriftstellerInnen handeln, aber auf Lily King war ich so neugierig, dass ich mir dieses Buch trotzdem in der Stadtbliothek ausgeliehen habe.
Liest sich von Anfang an weg wie sonstwas, obwohl die in den USA spielende Geschichte ziemlich deprimierend ist: Eine Frau, die mehrere Sprachen studiert und sich dafür hoch verschuldet hat, schlägt sich mühsam mit Jobs als Kellnerin durch, um ihre Schulden abzuzahlen und ihren Roman fertig schreiben zu können.
Im Gepäck hat sie außerdem eine zu Bruch gegangene große Liebe und eine Reihe anderer zerbrochener Beziehungen. Die Schriftstellerei läuft eher am Rande mit, erst gegen Schluss entfaltet sie ihre Bedeutung. Überhaupt kein typischer Schriftstellerroman. Wahrscheinlich hat er mich genau deshalb gepackt. Tolles Buch bis zur letzten Seite.
C.H. Beck Verlag, München 2020
ISBN 9783406756986
319 Seiten
Raphaela Edelbauer: Das flüssige Land
Ich hatte gehofft, ihr neuestes Buch in der Stadtbibliothek ausleihen zu können, aber im Regal stand nur ihr Debut Das flüssige Land. Also habe ich das mitgenommen. Die wahrscheinlich verrückteste Geschichte, die ich 2024 lese.
Die Ich-Erzählerin ist theoretische Physikerin und lebt in Wien, als ihre Eltern bei einem Autounfall ums Leben kommen. Der Tod der Eltern ist für sie der Anstoß, nach Groß Einland zu fahren, den Ort, in dem ihre Eltern großgeworden sind und wo sie sich sehr oft aufgehalten haben. Die Merkwüdigkeiten beginnen schon auf dem Weg nach Groß Einland, das partout nicht zu finden ist. Schließlich landet sie zufällig in einem Ort, von dem sich dann herausstellt, dass es sich um Groß Einland handelt.
Die Erde unter diesem Ort ist durchzogen von einem chaotischen Netz aus Stollen, die seit Jahrhunderten völlig unkoordiniert angelegt werden, um Silber und andere Bodenschätze (weiß nicht mehr, welche – gut möglich, dass es auch nirgends klar gesagt wird) auszubeuten. Diese Stollen brechen nun nach und nach ein. Viele Häuser haben Risse und schlimmere Schäden, es gibt Plätze im Ort, die so abgesackt sind, dass man sie nicht mehr überqueren kann. Stattdessen geht man einfach am Rand vorbei. Man arrangiert sich mit den Schäden und tut so, als sei das alles ganz normal.
Zum Ort gehört auch eine Art Schloss, in der eine Gräfin lebt. Diese Gräfin ist die heimliche Herrscherin des Ortes – und die Organisatorin des großen Schönredens und Schönrechnens, für das sie einiges an Personal eingestellt hat. Schließlich überredet sie die Ich-Erzählerin, eine Stelle in ihrem Team anzunehmen und einen Stoff zu entwickeln, mit dem man die Stollen verfüllen kann.
Obwohl die Ich-Erzählerin die ganze Zeit eine kritische Distanz wahrt, wird sie zugleich auch zu einem Rädchen im Getriebe. Irgendwann bezieht sie das Haus ihrer Großeltern, das mehr und mehr in Schieflage gerät, und wie alle anderen auch will sie ihr Haus wider besseren Wissens nicht aufgeben. Sie bleibt jahrelang im Ort und merkt überhaupt nicht, wie die Zeit vergeht, zumal es ein paar Dinge gibt, die sie unbedingt herausfinden will, etwa was mit den 750 ZwangsarbeiterInnen passiert ist, die vor ein paar Jahrzehnten in den Stollen arbeiten mussten.
Sehr originelle Geschichte, gut geschrieben. Ich hab’s sehr gern gelesen, auch wenn ich zum Schluss ein paar Seiten überschlagen habe, weil es mir zu viele Details waren.
Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2019
ISBN 9783608964363
350 Seiten
Fortsetzung der Leseperlen folgt.