Flash Fic­tion - ei­ne An­lei­tung mit den 7 wich­tigs­ten Zutaten

Flash Fic­tion - ei­ne An­lei­tung mit den 

7 wich­tigs­ten Zutaten

In Zei­ten des In­ter­nets wächst die Nach­fra­ge nach kür­ze­ren Tex­ten, die leich­ter und schnel­ler auf ei­nem Com­pu­ter­bild­schirm zu le­sen sind. Das gilt auch für li­te­ra­ri­sche Tex­te. Die Text­sor­te, die sich hier her­aus­ge­bil­det hat, heißt Flash Fic­tion. Da­bei han­delt es sich um ei­ne Ge­schich­te mit ei­ner Län­ge von 300 bis 1.000, manch­mal auch bis zu 2.000 Wörtern.


Flash Fic­tion und die tra­di­tio­nel­le Kurzgeschichte

Die Wur­zeln der Flash Fic­tion lie­gen in der tra­di­tio­nel­len Kurz­ge­schich­te (et­wa 3.000 bis 20.000 Wör­ter). Die sehr kur­zen Er­zäh­lun­gen von Franz Kaf­ka – wie et­wa Der Krei­sel oder Der Auf­bruch – oder Brechts Ge­schich­ten vom Herrn Keu­ner könn­te man durch­aus als Flash Fic­tion be­zeich­nen. Man­che von Brechts Keu­ner-Ge­schich­ten sind so­gar so kurz, dass man sie un­ter Mi­cro Fic­tion fas­sen könn­te (Mi­cro Fic­tion hat ei­ne Län­ge von 10 bis 300 Wör­tern; ein Bei­spiel da­für fin­dest Du hier).

Ge­nau wie die tra­di­tio­nel­le Kurz­ge­schich­te braucht auch Flash Fic­tion ei­nen Prot­ago­nis­ten oder ei­ne Prot­ago­nis­tin, ei­nen Kon­flikt und die Auf­lö­sung. Auf­grund ih­rer Kür­ze kann Flash Fic­tion je­doch vie­les, was in der Kurz­ge­schich­te aus­ge­führt wird, nur an­rei­ßen, auf­blit­zen las­sen. Flash Fic­tion be­steht in al­ler Re­gel aus ei­nem ein­zi­gen Akt, ge­le­gent­lich auch aus ei­ner An­samm­lung meh­re­rer an­ge­deu­te­ter Ereignisse.


Flash Fic­tion – Kon­zen­tra­ti­on auf das Wesentliche

In ih­rer Kür­ze ver­langt Flash Fic­tion ei­ne ho­he Kon­zen­tra­ti­on auf das We­sent­li­che. Ih­re Aus­rich­tung ist des­halb auch bes­tens für al­le ge­eig­net, die län­ge­re Pro­sa­tex­te oder Ly­rik ver­fas­sen. Wer lan­ge Pro­sa schreibt und sich in Flash Fic­tion übt, wird an Klar­heit und Strin­genz ge­win­nen, und wer Ly­rik schreibt, kann da­mit ei­ne Art Vor­kon­zen­trat er­zeu­gen. Das Schö­ne dar­an ist: Wenn man es als Übung nimmt, kann man es ganz spie­le­risch und leicht an­ge­hen, denn es kommt vor al­lem auf den Pro­zess an, das Er­geb­nis ist ja nur als Pro­be­stück gedacht.



Zu­ta­ten für Flash Fic­tion - 7 grund­le­gen­de Tipps

Im Fol­gen­den stel­le ich Dir die wich­tigs­ten Zu­ta­ten für das Schrei­ben von Flash Fic­tion vor, die Du ein­zeln oder als Kom­bi­na­ti­on ver­wen­den kannst.

1. Die klei­ne Idee

Such nach den klei­ne­ren Ideen in­ner­halb ei­nes grö­ße­ren Zusammenhangs.

Ein Bei­spiel: Um kom­ple­xe Fa­mi­li­en­struk­tu­ren  oder ei­ne Fa­mi­li­en­ge­schich­te dar­zu­stel­len, braucht man viel Platz, wie ihn et­wa ein Ro­man oder ei­ne län­ge­re Er­zäh­lung bie­ten. Flash Fic­tion ist für sol­che Set­tings über­haupt nicht ge­eig­net. Des­halb soll­test Du auf die Su­che nach ei­nem lohnens­wer­ten Aus­schnitt aus ei­nem viel­schich­ti­gen The­ma ge­hen. Wenn es um das gro­ße The­ma Fa­mi­lie geht, könn­test Du bei­spiels­wei­se fragen:

Wie fühlt sich ein Kind, wenn es von ei­nem Ge­spräch aus­ge­schlos­sen wird?
Auf wel­che Ideen kom­men Kin­der, wenn sie sich auf ei­ner Au­to­fahrt lang­wei­len?
Was ist ein be­son­de­res Pro­blem des mitt­le­ren von drei Ge­schwis­tern oder des ein­zi­gen Mäd­chen un­ter lau­ter Jun­gen?
Ein schlech­tes Zeug­nis, ein ver­lo­re­ner Haus­schlüs­sel, ein sehn­li­cher Wunsch wä­ren wei­te­re Themen.

Grei­fe Dir ein sol­ches klei­nes The­ma her­aus und bau Dei­ne  Flash Fic­tion dar­auf auf.


2. Die Vor­ge­schich­te eindampfen

Wenn Du Flash Fic­tion schreibst, hast Du kei­nen Platz für ver­zwick­te Vor­ge­schich­ten. Über­le­ge Dir des­halb sehr ge­nau, was von der Vor­ge­schich­te für das Ver­ständ­nis Dei­ner Ge­schich­te ab­so­lut un­ver­zicht­bar ist, und bring das in ei­nem ers­ten kur­zen Ab­satz un­ter. Am bes­ten ist es na­tür­lich, wenn Du kei­ne Vor­ge­schich­te brau­chst und gleich ins Ge­sche­hen ein­stei­gen kannst.


3. Die Ge­schich­te mit­ten im Ge­sche­hen beginnen

Am bes­ten steigst Du gleich mit dem ers­ten Satz un­mit­tel­bar in die Ge­schichte ein: Ein Kind auf dem Rück­sitz ei­nes Au­tos zer­pflückt den In­halt von Mut­ters Hand­ta­sche samt Fahr­zeug­pa­pie­ren. Ein Mann rennt die Stra­ße hin­un­ter. Ein Ein­kaufs­wa­gen kracht in ein Re­gal mit Fla­schen. Ein Haus brennt. Be­schreib nicht mehr als nö­tig. Der Le­ser, die Le­se­rin ist durch­aus in der La­ge, ei­ni­ge der Leer­stel­len auszufüllen.


4. Kon­zen­tra­ti­on auf ein star­kes Bild

Ein Bild kann Ebe­nen Dei­ner Ge­schich­te ver­mit­teln, die Du mit Wor­ten kaum fas­sen kannst, schon gar nicht in der ge­bo­te­nen Kür­ze. Such Dir des­halb ein wir­kungs­vol­les und mög­lichst un­ver­brauch­tes Bild für Dei­ne Ge­schich­te: Ein Kehr­blech vol­ler Scho­ko­la­denstreu­sel, ein bi­zar­rer Son­nen­un­ter­gang, ei­ne nicht an­ge­rühr­te Mahlzeit …


5. Die Le­se­rin, den Le­ser im Un­ge­wis­sen lassen

Ein klei­nes Ge­heim­nis, ei­ne mit­lau­fen­de Un­ge­wiss­heit ist ein gu­tes Mit­tel, um die Aufmerksam­keit zu bin­den. Wenn Du Dei­ne Le­ser­schaft mög­lichst lan­ge neu­gie­rig hal­ten möch­test, was wohl hin­ter der Un­ge­wiss­heit steckt oder wo­hin sie führt,  wird sie Dir bis zum En­de fol­gen. Am En­de soll­test Du Le­se­rin­nen und Le­ser mit ei­ner gu­ten oder über­ra­schen­den Lö­sung belohnen.


6. Mit An­spie­lun­gen arbeiten

Wenn Du auf ei­ne all­ge­mein be­kann­te Ge­schich­te an­spielst, kannst Du Dir vie­le Wor­te und Um­we­ge spa­ren. His­to­ri­sche Er­eig­nis­se oder be­rühm­te Si­tua­tio­nen aus der Li­te­ra­tur eig­nen sich ganz her­vor­ra­gend da­für. Der Un­ter­gang der Ti­ta­nic ist zwar nicht ge­ra­de das ori­gi­nells­te Bei­spiel, aber ei­nes der be­rühm­tes­ten und an­schau­lichs­ten. Ei­ne Ge­schich­te, die auf der Ti­ta­nic spielt, läuft un­wei­ger­lich auf ei­ne Ka­ta­stro­phe zu, da muss man nicht mehr viel er­klä­ren. Die his­to­rische Über­lie­fe­rung und der Ki­no­film ha­ben es schon für Dich ge­tan. Ei­ne Ge­schich­te auf ei­nem an­de­ren Schiff braucht des­halb nur ei­nen klei­nen Hin­weis auf die Ti­ta­nic, und schon hast Du ei­ne span­nen­de Spur ge­legt. Der Un­ter­gang der Ti­ta­nic ist so tief ins kol­lek­ti­ve Ge­dächt­nis ein­ge­gra­ben, dass Du An­spie­lun­gen dar­auf  so­gar in an­de­ren Zu­sam­men­hän­gen ef­fekt­voll ein­set­zen kannst, auf der si­chers­ten Gon­del­fahrt der Welt et­wa oder beim Wüsten-Trekking.

Be­rühm­te li­te­rarische Bei­spie­le sind Ro­meo und Ju­lia, Goe­thes Wert­her oder auch die Volks­mär­chen der Ge­brü­der Grimm. Wenn Du Dich ein we­nig auf die Su­che be­gibst, wirst Du si­cher schnell ori­gi­nel­le­re his­to­ri­sche und li­te­ra­ri­sche Bei­spie­le finden.

Ei­ne War­nung zum Schluss:  Ge­stal­te die Anspie­lungen nicht zu mys­te­ri­ös, das schreckt ab. Dei­ne Le­ser­schaft soll­te oh­ne Hirn­ver­kno­tun­gen die be­ab­sich­tig­ten Ver­bin­dun­gen her­stel­len können.


8. Über­ra­schen­de Schlusswendung

Flash Fic­tion lässt Dir nur sehr we­nig Raum, um Dei­ne Ge­schich­te zu ent­wi­ckeln. Du kannst we­der dif­fe­ren­zier­te Cha­rak­te­re auf­bau­en noch sub­ti­le Lang­zeit­wir­kun­gen des Ge­sche­hens ver­folgen. Die Wir­kung von Flash Fic­tion ent­steht viel­mehr durch die straf­fe Füh­rung der Hand­lung und ge­schick­te Re­duk­ti­on auf das We­sent­li­che. Ei­ne über­ra­schen­de Wen­dung am En­de der Ge­schichte er­laubt Dir ei­nen Ab­schluss, der im Ge­dächt­nis bleibt und so über die kur­ze Geschich­te hin­aus­wirkt. Das klei­ne Ge­heim­nis (s. Punkt 5) kann Dir da­bei helfen.



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